Doch, es gibt sie noch: optimistische Börsianer, die einen näher rückenden Wiederaufschwung von Wirtschaft und Finanzmärkten erwarten. Angesichts der vielen Krisensignale fällt es den meisten Anlegern aber schwer, ausgerechnet jetzt (im „Sommerloch“) auf Aktien zu setzen.
Zu den heimischen und internationalen Strategen, die sich unerschrocken zum Lager der Bullen bekennen, gehört das von mir besonders geschätzte Helaba Research. Seine Argumentation: An den westlichen Finanzmärkten scheinen derzeit die Zinssorgen wichtiger als die Konjunktursorgen zu sein. Daher könnten klare Signale für eine Zinspause die Stimmung nicht nur am Rentenmarkt aufhellen. Ohnehin nähert sich bei Aktien die saisonal schwierigste Phase allmählich ihrem Ende. Ob aber die Entspannung schon bald einsetzt, ist Spekulation. Allerdings geschehen manchmal Dinge – gerade an den Finanzmärkten – viel schneller als viele erwarten.
Rückgang der Inflation geht weiter
Und die Teuerung bei uns? Die deutschen Inflationsraten sind seit November 2022 von 8,8 % auf zuletzt 6,2 % im Juli gesunken. Für August erwarten die Landesbanker nun einen Wert von 6 %. Gegen einen noch stärkeren Rückgang sprechen die zuletzt deutlich höheren Diesel- und Heizölpreise. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke, die im Index immerhin einen Anteil von knapp 12 % ausmachen, sind im Juli noch um fast 11 % teurer gewesen. Damit hatte sich die Preissteigerung immerhin schon in etwa halbiert. Dieser rückläufige Trend sollte sich fortsetzen. Hierfür sprechen zumindest die Erzeuger- und Einfuhrpreise dieser Produktgruppe. Sie weisen normalerweise einen gewissen Vorlauf zu den Konsumentenpreisen auf. Ab September ist ein deutlicher Rückgang der deutschen Inflationsrate zu erwarten, da dann der verzerrende Basiseffekt durch das 9-Euro-Ticket wegfällt. Gegen Ende des Jahres sollten Werte um 4 % möglich sein. Die Jahresinflationsrate beträgt aufgrund der hohen Jahresanfangswerte dann aber trotzdem 6 %.
Aktien: Gesunde Konsolidierung oder Kurskorrektur?
Die Kurstableaus an den Aktienmärkten weltweit sind im August überwiegend rot gefärbt. Ist dies erst der Auftakt zu einer größeren Korrektur oder nur eine Verschnaufpause? Der August präsentiert sich an den Aktienmärkten weltweit bislang als schlechter Börsenmonat. Angesichts der weiterhin schwächelnden Konjunkturindikatoren und vorerst wenig Hoffnung auf Rückenwind durch die Geldpolitik nahmen Anleger augenscheinlich einen Teil der bis dato überdurchschnittlichen Gewinne mit. Die Frankfurter Landesbanker hatten zu Monatsbeginn darauf hingewiesen, dass sich in Jahren, in denen Aktien bis dahin überdurchschnittlich gut gelaufen waren, das Saisonmuster häufig verschiebt: Der August löst den September als schlechtesten Monat ab. Demnach wäre die Schwächephase bald überstanden. Durch den Kursrückgang der vergangenen Wochen hat sich der Dax wieder der steigenden 200-Tage-Linie angenähert. Eine technische Überhitzung wurde damit abgewendet. Die derzeit bei 15.411 Punkten verlaufende 200-Tage-Linie dürfte sich nach Einschätzung der Analysten als tragfähige Unterstützung erweisen, zumal sie nicht davon ausgehen, dass Deutschland in eine Doppelrezession abrutschen wird.
Dax im internationalen Vergleich attraktiv
Und was bedeutet das nach Meinung des Helaba Research für die Aktienanleger? Die aktuelle konjunkturelle Schwäche, die auch in zahlreichen Frühindikatoren zum Ausdruck kommt, ist durch den Bewertungsabschlag des Dax von seinem fairen Wert bereits hinreichend gewürdigt. Allerdings lässt die Datenlage bislang noch keinen Wendepunkt zum Besseren erkennen. Obwohl die Konjunkturerwartungen laut Stimmungserhebungen durch Sentix und ZEW zuletzt leicht gestiegen sind, gaben die am Freitag veröffentlichten Ifo-Erwartungen erneut nach. Zwar werden die kommenden Monate voraussichtlich von Konjunkturunsicherheit geprägt sein, das Stimmungstief dürfte allerdings annähernd erreicht sein. Aktien nehmen dies erfahrungsgemäß vorweg. Der Dax gilt aufgrund seiner im internationalen Vergleich günstigen Bewertung als besonders attraktiv.
Chancen auf positive Überraschungen
Auch die Chancen auf positive Überraschungen sind angesichts der verhaltenen Erwartungen bezüglich Konjunktur und Aktien daher hierzulande am größten. Fazit der Helaba: „Wir gehen davon aus, dass Aktien nach einer kurzen Verschnaufpause in den klassisch schwachen Monaten ihren Haussezyklus fortsetzen werden und raten daher bereits investierten Anlegern, ihre Positionen zu halten bzw. unterdurchschnittlich engagierten Anlegern Aktien in Schwächephasen nachzukaufen.“
Langfristige Anleger können gelassen bleiben
Viele Privatanleger agieren und reagieren eher kurz- bis mittelfristig. Die möchte ich warnen: Die geschilderten positiven Perspektiven können sich zeitlich auf unbestimmte Zeit verschieben! Es ist durchaus möglich, dass die verbleibenden Monate 2023 von Unsicherheit und Enttäuschungen bis in 2024 hinein geprägt sein werden. Es gehört also trotz der genannten Argumentationskette momentan einiger Mut dazu, in den Dax oder andere Märkte zu investieren.Andererseits wird sich Geduld später wieder als Erfolgsfaktor erweisen. Davon bin ich überzeugt. Bleiben Sie also cool, geschätzte Leser, wenn Sie wirklich mit einem ganz langfristigen Zeithorizont in Aktien investieren! Dabei denke ich an mindestens fünf bis zehn Jahre (Beispiel: für die private Altersvorsorge).