Investitionen in Gesundheit langfristig ankurbeln

von | 27. Feb 2023 - 08:43 | Kutzers Corner

Europäische Aktien sind international wiederentdeckt worden. Mit einem Plus von 13 % in der Performance seit Jahresbeginn liegen sie deutlich vor den sonst als stabiler Hort geltenden amerikanischen Werten. Dieser Trend kann länger anhalten.

Letzten Endes ist die starke Performance eine Funktion der deutlichen Entspannung am europäischen Gasmarkt, schreiben die Investmentexperten von Allianz Global Investors in ihrer jüngsten Marktanalyse. Die Gaspreise an den Spotmärkten haben sich von 350 Euro in der Spitze im Juni letzten Jahres aktuell auf ein Niveau von 50 Euro und damit Notierungen wie zuletzt im Herbst 2021 beruhigt – sie liegen unter dem Vorkriegsniveau. Aus Sicht internationaler Investoren ein großer Fortschritt und eine unerwartete Erleichterung, die das Interesse an europäischen Werten schürt. Denn die Ukraine-Krise hat auch die fundamentale Bewertung europäischer Werte auf Basis der Kurs/Gewinn-Verhältnisse (KGV) und Cash-Flows der Firmen in die unteren und attraktiven Bereiche der historischen Bandbreiten geführt.

Branchenbewertungen im Vergleich

Nahezu alle Branchen weisen gegenüber globalen und insbesondere den vergleichbaren US-Werten deutliche Bewertungsabschläge auf. Trotz des Kursaufschwungs seit Oktober 2022 und massiver Gewinnrevisionen wegen der Krise sowie entsprechender Rezessionsbefürchtungen liegt das KGV europäischer Aktien bei 13 und damit unter den langfristigen historischen Durchschnitten und vor allem deutlich unter den US-Titeln mit 19. Diese Bewertung scheint durch solide Unternehmensgewinne untermauert zu werden. So geht es europäischen Banken auf Basis des höheren Zinsniveaus deutlich besser als in der langen Nullzinsphase. Das Ende der Negativ-/Nullzinsphase führt zu besseren Zinsmargen. Einige der europäischen Banken zeigen zum ersten Mal nach der Finanzkrise wieder Milliardengewinne.

Fundamentale Gründe für Attraktivität Europas

Da die Banken als sogenannte „Value“ Titel (also Werte, mit niedrigeren Bewertungskennzahlen) ein hohes Gewicht in den europäischen Indizes haben, treiben diese die Performance. Und andere Branchen kommen hinzu. Herausragende Gewinne verzeichnen einige der Konjunktur unsensibleren stabile Konsumtitel und Luxusgüterhersteller. Argumentieren die Strategen: Hier scheint ein weiterer fundamentaler Grund für die Attraktivität Europas erkennbar zu werden: die chinesische Öffnung nach der Covid-Krise und die damit einhergehende Belebung der Exporte. Die Lieferketten entspannen sich spürbar. Dies scheinen auch die traditionellen Industriebereiche zu merken. Auch hier werden im Schnitt wieder solide Gewinne erzielt. Die Liste guter Unternehmensgewinne lässt sich auf Basis der aktuell noch laufenden Berichtssaison fortsetzen, z.B. mit der Energiebranche oder den Versorgern. Steigende Zinsen beflügeln „Value“ Titel weltweit und Europa profitiert davon besonders. Dazu gehört auch der britische Aktienmarkt, der durch eine Kette politischer Probleme (Rücktritt der Premierministerin, Steuergesetzgebung) noch zusätzlich belastet war. Nimmt man die hohen Ausgaben der Europäischen Union im Rahmen der Krisen, aber auch durch den „European Green Deal“ hinzu, ergibt sich plötzlich ein ganzer Strauß von Faktoren, die europäische Titel interessant erscheinen lassen: Wiederbelebung des Handels, Investitionen, höhere Zinsen, schwächerer US-Dollar, grüne Transformation, staatliche Förderprogramme und Wiederansiedlung von wichtigen Industriesparten zu Absicherung der globalen Lieferketten.

OECD-Studie über Bedeutung der Gesundheitssysteme

Langfristige Anleger stellen sich naturgemäß die Frage, welche Themen und Branchen in  Zukunft eine besondere Rolle spielen dürften. Dazu liefert die Weltwirtschaftsorganisation OECD eine Antwort: Die Ankurbelung der Investitionen in die Gesundheitssysteme wird entscheidend sein, um künftige Schocks zu bewältigen. Angesichts der enormen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Menschen und die Weltwirtschaft sollten die Regierungen ihre Gesundheitssysteme dringend anpassen, um besser auf künftige Schocks reagieren zu können. Laut der neuen Studie sind große Investitionen in das Gesundheitspersonal sowie höhere Ausgaben für Prävention und digitale Infrastruktur erforderlich.

Bereit für die nächste Krise? Investing in Health System Resilience besagt, dass selbst die fortschrittlichsten Gesundheitssysteme der Welt nicht widerstandsfähig gegen die Covid-19-Pandemie waren. Im Jahr 2020 sank die Lebenserwartung in 75 % der OECD-Länder. Rund 34 % aller kumulativen Covid-19-Todesfälle entfielen bis April 2022 auf Bewohner von Langzeitpflegeeinrichtungen. Der Bericht hebt drei Hauptanfälligkeiten hervor: Die Gesundheitssysteme waren unzureichend vorbereitet und unterbesetzt und sahen sich mit unzureichenden Investitionen konfrontiert.

Besser auf nächste Krise vorbereiten

Im Durchschnitt hatten 2019 35 % der Bevölkerung der OECD-Länder eine langjährige Krankheit oder ein Gesundheitsproblem. Eine hohe Prävalenz chronischer Erkrankungen macht die Bevölkerung weniger widerstandsfähig und erhöht die Covid-19-Mortalität. Dennoch gaben die OECD-Gesundheitssysteme weniger als 3 % der gesamten Gesundheitsausgaben für Prävention aus. „Die Widerstandsfähigkeit der Gesundheitssysteme bringt erhebliche soziale und wirtschaftliche Vorteile. Die Länder müssen ihre Gesundheitssysteme besser auf die nächste Krise vorbereiten, um die Widerstandsfähigkeit zu verbessern, um die Auswirkungen von Schocks zu verringern und die Erholung zu beschleunigen“, sagte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann. „Die Förderung der Gesundheit der Bevölkerung, der Bindung von Arbeitskräften im Gesundheits- und Sozialwesen, der Datenerhebung und -nutzung, der internationalen Zusammenarbeit, der Widerstandsfähigkeit der Lieferkette sowie der Regierungsführung und des Vertrauens kann dazu beitragen, den Zugang zu Gesundheitsdiensten, Gesundheit und Wohlbefinden sowie die volle Teilhabe an der Gesellschaft zu verbessern.“

Das Erbe der Pandemie könnte Jahrzehnte überdauern. Das Wohlbefinden des Gesundheitspersonals hat gelitten und sich nicht erholt. Es besteht nach wie vor ein erheblicher Rückstand in der Pflege. So wurden 2020 in 31 OECD-Ländern im Vergleich zu 2019 11 Millionen weniger diagnostische und elektive chirurgische Eingriffe durchgeführt. Hinzu kommen neue Herausforderungen, darunter die Behandlung von „Long Covid“ und die Bewältigung des erheblichen Anstiegs des Bedarfs an psychischer Gesundheitsversorgung, insbesondere bei jungen Menschen. Der Arbeitskräftemangel besteht fort und begrenzt die Beseitigung dieses Rückstands.

Intelligente Investitionen und mehr Personal

Die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Gesundheitssysteme erfordert intelligente Investitionen, eine bessere Koordinierung (auch zum Aufbau widerstandsfähigerer medizinischer Lieferketten) und eine verbesserte globale Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich. Dieser Bericht empfiehlt eine jährliche Zielinvestition von 1,4 % des BIP in allen OECD-Ländern im Verhältnis zu den Ausgaben im Jahr 2019. Rund die Hälfte dieser empfohlenen Investitionen entfällt auf die Stärkung des Gesundheits- und Pflegepersonals an vorderster Front. Dies würde über drei Millionen zusätzliche Arbeitskräfte in den OECD-Ländern bedeuten.

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