Börse hui, Wirtschaft pfui? Anleger haben’s schwer

von | 19. Feb 2024 - 08:37 | Kutzers Corner

Was sollten Privatanleger jetzt machen? Die Börsen sind besser als erwartet ins neue Jahr gestartet und fühlen sich auf Index-Rekordhöhen sichtlich wohl. Gleichzeitig präsentieren sich Weltwirtschaft und Weltpolitik immer kritischer. Also nur zuschauen?       

Kursentwicklungen an den Börsen plausibel zu interpretieren, fällt selbst alten Hasen oft nicht leicht. Mitunter wechselt die Stimmungslage der Marktteilnehmer von Tag zu Tag oder gar im Verlauf einer Sitzung. Das ist vor allem eine Folge von Digitalisierung und Internationalisierung – es wird kurzfristiger denn je gehandelt, Profis gehen immer öfter (mutig oder ängstlich) rein und raus. Auch aktuell ist das Marktgeschehen nicht klar zu durchschauen, zumal die Kurse nicht die schwierige Lage der Weltwirtschaft widerspiegeln.

Schweizer Optimisten sehen sich bestätigt            

Man kann, so man davon überzeugt ist, weiter bullisch bleiben. UBS Asset Management sieht sich bestätigt, denn die Schweizer hatten in ihrem Jahresausblick vorhergesagt, dass die globalen Aktien 2024 auf neue Allzeithochs steigen würden, ohne dass die Renditen von Staatsanleihen nennenswert sinken. „Das ist nun – sogar schneller als erwartet – eingetreten“, sagt Evan Brown, Head of Multi-Asset Strategy und schreibt mir dazu: Die positive Kursentwicklung erfolgte aus guten Gründen: Das Wachstum ist solide, die Arbeitsmärkte sind in guter Verfassung und die Desinflation ist in vollem Gange.

Eine sanfte Landung der US- und der Weltwirtschaft scheint nach wie vor sehr wahrscheinlich. „Allerdings ist diese optimistische Sichtweise schon seit mehr als drei Monaten zunehmend in die Märkte eingeflossen. Eine Mischung aus technischen und fundamentalen Faktoren lässt uns befürchten, dass dieses Narrativ auf taktischer Basis in Frage gestellt werden könnte. Das Chance-Risiko-Verhältnis von Aktien ist nicht mehr so attraktiv wie zuvor“, so Brown. Daher hat er das Übergewicht in globalen Aktien, das seit Juni 2023 besteht, auf eine neutrale Positionierung zurückgestuft.

Unsicherheit könnte zurückkehren

Die Kerninflation lag in den USA zum Jahresende 2023 mit 1,9 Prozent auf Sechsmonatsbasis unter dem Ziel der Notenbank Fed. Gleichzeitig war das Wirtschaftswachstum im vierten Quartal mit 3,3 Prozent stärker als erwartet. Viel besser kann die Lage nicht mehr werden. „Tatsächlich gehen wir davon aus, dass die Inflation in den kommenden Monaten vorübergehend anzieht, bevor sie ihren disinflationären Trend fortsetzt“, erläutert Brown. Ein zwischenzeitlicher Anstieg des Preisdrucks könnte es der Fed erschweren, mehr Vertrauen zu gewinnen, dass sich die Inflation dauerhaft in den Zielbereich zurückbewegt. Sollte die Fed Zinssenkungen hinauszögern, könnte dies die Märkte verunsichern.

Globale Aktien bleiben mittelfristig attraktiv

„Wir sind nach wie vor optimistisch für die Weltwirtschaft und für globale Aktien auf mittlere Sicht. Aber kurzfristig ist es unserer Meinung nach Zeit für eine Pause in der historisch starken Aktienrally“, sagt Brown. Sollte die Konsens-Erwartung einer sanften Landung in den nächsten Monaten unter Druck geraten, könnten Schwächen am Aktienmarkt erneut gute Einstiegsmöglichkeiten bieten.

Der Fokus der Schweizer Strategen liegt auf einer mittel- bis langfristigen Perspektive. Auf dem Aktienmarkt gewinnt die gezielte Identifizierung und Bewertung aufstrebender Sektoren und Investmentthemen zunehmend an Bedeutung. Diese umfassen Aspekte wie Demografie, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Cyber-Sicherheit, Urbanisierung, Gesundheitswesen und Infrastruktur – allesamt wesentliche Bereiche, die die gesellschaftliche Entwicklung maßgeblich beeinflussen und daher gezielt in das Anlageportfolio von Investoren integriert werden sollten. Eine Möglichkeit, diese Themen abzubilden, besteht in der Nutzung spezialisierter Themenfonds. Diese können nicht nur zur Diversifikation beitragen, sondern auch mittelfristig eine Art Verstärker für Portfolios darstellen.

Japanische Börse bleibt im Fokus

Bei regionaler Betrachtung fällt das anhaltende Interesse internationaler Investoren am japanischen Aktienmarkt auf. UBS macht da keine Ausnahme und schreibt: Eine neutrale Sichtweise auf Aktien ist kein Wechsel ins Bärenlager. Nach wie vor gibt es attraktive Segmente. Dazu zählen auch japanische Aktien, die stark vom verbesserten nominalen Wachstumsumfeld, einer aktionärsfreundlicheren Unternehmensführung und einer lockeren Geldpolitik profitieren, selbst wenn die Bank of Japan auf einen langsamen Straffungszyklus einschwenkt.

Wird 2024 ein Jahr der Wandelanleihen?  

Bemerkenswert ist unter anderem auch, dass viele Vermögensverwalter unterschiedlicher Art hervorheben, wie wichtig in der aktuellen Phase ein betont aktives Depotmanagement sei. Auch Privatanleger sollten ausgesprochen selektiv vorgehen. Ich möchte einmal mehr ergänzen, dass sich diese Empfehlung nicht nur auf die Anlageklassen, sondern auch auf die Anlageinstrumente erstrecken sollte. Beispiel: 2024 könnte das Jahr der Wandelanleihe werden. Dieser Ansicht ist Emmanuel Naar vom Team für globale Wandelanleihen bei Lazard Asset Management. Es sind gleich mehrere Faktoren, die nach seiner Meinung für eine künftig gute Performance der Assetklasse sprechen. Faktor Nummer eins: Gute Aussichten auf der Aktienseite. Ein Großteil der Emittenten von Wandelanleihen seien US-amerikanische Small- und Mid-Caps, wobei der Schwerpunkt im Growth-Bereich liege. Deren Entwicklung habe zuletzt nicht mit der Outperformance der großen US-Techwerte mithalten können. Vergleiche man den Russell 2000 Growth Index, der ein guter Indikator für die Performance der Wandelanleihen-Emittenten sei, mit dem S&P 500 Index, zeige sich eine deutlich unterdurchschnittliche Performance von Small- und Mid-Cap-Growth-Titeln in den letzten drei Jahren. „Der S&P 500 Index profitierte vor allem von der signifikanten Outperformance der ‚Magnificent Seven‘: Apple, Nvidia, Alphabet, Meta, Amazon, Tesla und Microsoft. Im Gegensatz dazu sind die typischen Emittenten von Wandelanleihen aktuell noch weit davon entfernt, ihre Allzeithochs zu erreichen“, erklärt Naar. „Damit bieten Small- und Mid-Caps großes Aufholpotential.“

Langfristige Anleger können gelassen bleiben

Unabhängig von den (überwiegend optimistischen) Vorhersagen für den Jahresverlauf haben Sie es momentan nicht leicht, geschätzte Anleger. Allein die Bandbreite der möglichen Taktiken zeigt das auf: Kann man jetzt (auf dem Gipfel) noch Aktien kaufen? Oder sollte man (wenn man schon Kursgewinne verbuchen kann) sein Aktiendepot vorsichtshalber abbauen?

Ich halte an meiner alten Empfehlung fest, grundsätzlich nicht heftig zu reagieren und insbesondere dann gelassen zu bleiben, wenn man über 2024 hinaus denkt. Betont langfristige Aktienanleger sollten sich ohnedies nicht von kurz- bis mittelfristigen Entwicklungen beeindrucken lassen. Erst recht nicht vom Tagesgeschehen.

Aber: Weltpolitik im Auge behalten!

Aber Achtung! Auch und gerade langfristige Investoren, die insbesondere auf Aktien, Gold und Rohstoffe setzen, müssen die geopolitischen Risiken im Auge behalten! Wenn die Welt von Ost bis West vollständig aus den Fugen geraten sollte, wenn Konflikte, Krisen und Kriege uns alle bedrohen, gilt es auch das private Geldmanagement zu überdenken.

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