Warum die Börsen überfordert werden

von | 11. Aug. 2025 - 08:14 | Kutzers Corner

Anleger werden mit vielen Einflussfaktoren konfrontiert. Oft sind es zu viele, so wie jetzt.

Fundamentale Faktoren sind die Klassiker für den Aktienanleger, denn wenn es dem Unternehmen gut geht – möglichst sogar besser als erwartet –, freut sich die Börse (= die Kurse steigen). Nur steht die Firmenpublizität nicht allein im Raum.

Und: Wie börsenrelevant sind die kurzfristigen Statistiken? Jüngstes Beispiel die Nachricht, dass mehr als einem Drittel der deutschen Unternehmen Aufträge fehlen. Der Anteil blieb in der Ifo-Umfrage vom Juli nahezu unverändert. „Trotz leichter Fortschritte ist die Talsohle nicht durchschritten“, kommentierte Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen. „Der anhaltende Auftragsmangel bleibt ein zentrales Hemmnis für eine substanzielle konjunkturelle Erholung.“

USA an der Rezessionsklippe

Blicken wir über den Großen Teich, denn die US-Wirtschaft und die Wall Street geben die Richtung für die Weltmärkte vor. Doch sind die aktuellen Analysen eher widersprüchlich, zumindest uneinheitlich, was mitentscheidend auf die politischen Einflüsse zurückzuführen ist. Laut Metzler Asset Management hat die US-Wirtschaft im ersten Halbjahr 2025 an Schwung verloren. Mit einem annualisierten Wachstum von lediglich 1,2 Prozent fiel die Dynamik nur halb so stark aus wie noch im Vorjahr. Auch der Arbeitsmarkt sendet erste Signale der Abkühlung – das Beschäftigungswachstum flacht spürbar ab. Die Ursachen sind vielfältig, aber klar strukturiert: Eine restriktive Geldpolitik, die protektionistische Zollpolitik der Trump-Administration und eine wachsende wirtschaftliche Verunsicherung bilden einen Dreiklang der Belastung.

Hohe Zinsen bremsen den kreditgetriebenen Konsum, Zölle wirken faktisch wie eine Konsumsteuer, und die zunehmende Unsicherheit veranlasst viele Haushalte zur Vorsicht – sprich: zur höheren Sparquote. Die Folge: Der reale Konsum stagniert seit Jahresbeginn.

Verlangsamung der amerikanischen Wirtschaft

Die Analysten von Goldman Sachs Asset Management rechnen für die zweite Jahreshälfte mit einer Verlangsamung der US-Wirtschaft – jedoch nicht mit einer Rezession. Der US-Arbeitsmarkt zeigt moderate Abschwächungstendenzen: nach unten korrigierte Beschäftigungszahlen, eine geringere Breite beim Jobwachstum, überdurchschnittliche Zahlen bei den Arbeitslosenanträgen und ein rückläufiger Stellenvermittlungsquotient deuten auf eine nachlassende Dynamik hin. Europa zeigt derzeit positive wirtschaftliche Impulse, während China durch vorgezogene Bestellungen vor der Einführung neuer Zölle sowie durch eine Diversifizierung der Lieferketten profitiert hat.

Mögliche Belastungen könnten jedoch durch die Zölle und ein schwächeres US-Wachstum entstehen. Trotz dieser Herausforderungen sprechen robuste Arbeitsmärkte und solide Bilanzen im privaten Sektor weltweit für eine anhaltende Expansion der Weltwirtschaft. Das mag Sie positiv überraschen, geschätzte Anleger.

Zwischen KI und Dollar-Schwäche

Eine besonders interessante Analyse hat mir Mike Fox, Head of Equities von Royal London Asset Management, geschickt. Darin nennt er drei gute Gründe für die Widerstandskraft der Märkte trotz aller Volatilität: Die Schwäche des US-Dollars könnte an Einfluss gewinnen. Die US-Märkte könnten ihre Stellung als Epizentrum der Finanzindustrie verlieren. Beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) sollten Investoren wachsam bleiben – auch gegenüber möglichen Enttäuschungen.

Nach der turbulenten ersten Jahreshälfte sehnen sich wohl die meisten Marktteilnehmer nach der wohlverdienten Sommerpause. Leider machen die Märkte – im Gegensatz zu vielen von uns – keinen Urlaub, genauso wenig wie die Ereignisse, die sie bewegen. Noch immer gibt es Unsicherheit beim Thema Zölle und die Geopolitik schafft es nur allzu oft auf die Titelseiten. Aber abgesehen davon lohnt es sich, die Frage zu stellen, was die vorhersehbaren Trends der kommenden Jahre sind und wie diese die Märkte definieren werden.

Ein schwacher US-Dollar kann Folgen haben

Ein Blick unter die Motorhaube zeigt aber auch einige Trends, welche den Konsens unter vielen Investoren – typischerweise long für die USA und long für US-Technologiewerte – ins Wanken bringen könnten. Erstens: Eine beharrliche Dollarschwäche. Das beeinflusst den Wert von Investments in den USA, natürlich auch US-Aktien. Theorien dazu, warum die US-Währung so schwach ist, gibt es reichlich. Die plausibelste ist wohl der erodierende Status als sogenannte globale Reservewährung. Der Großteil des weltweiten Handels wurde bisher in US-Dollar abgewickelt, das Gleiche gilt für die meisten ausländischen Währungsreserven. Inzwischen besteht die Möglichkeit, grundlegende Waren wie Öl in chinesischen Renminbi zu handeln, was zunehmend verbreitet ist. Außerdem sinkt mit der zunehmenden Abschottung der USA der Anreiz, dort zu investieren, was ebenfalls zu einem Rückgang der Nachfrage nach US-Dollar geführt hat. Natürlich lässt sich heute noch nicht sagen, ob dieser Trend anhält. Aber falls ja, dürften US-Werte ebenso in schwieriges Fahrwasser kommen wie die Profite von Unternehmen außerhalb der USA, die dort in nennenswertem Umfang Geschäfte tätigen.

US-Märkte sind nicht mehr so außergewöhnlich wie früher

Der zweite Trend ist die Outperformance von Aktienmärkten außerhalb der USA. Der US-Markt war derart lange gegenüber denen in Europa und Asien im Vorteil, dass viele Händler es gar nicht anders kennen. Die Zeiten waren allerdings einmal anders, beispielsweise in den 2000er Jahren, als China der Welthandelsorganisation beigetreten ist. Im Zuge der jüngsten Underperformance der US-Märkte wurde schon das „Ende des US-Exzeptionalismus“ eingeläutet. Und natürlich hat der US-Aktienmarkt in der Folge wieder eine Outperformance gezeigt – denn Märkte tun am liebsten das, was den meisten Tradern die größten Kopfschmerzen bereitet. Davon abgesehen hat der US-Markt bisher im laufenden Jahr eine relativ schwache Bilanz vorzuweisen. Es gibt einige Definitionen von Exzeptionalismus, bei denen die USA noch immer einiges vorzuweisen haben, darunter Innovationen, Zugang zu Rohstoffen, Tiefe des Kapitalmarktes, das Bildungssystem und Rechtsstaatlichkeit. Dennoch gab es aus politischen Gründen einige Rücksetzer und das, während Asien und Europa zunehmend an ihren eigenen Wachstumsagenden arbeiten. Märkte richten sich nach der Gewinnspanne und diese ist in den USA ein wenig kleiner geworden. Infolgedessen sind andere Märkte dafür ein wenig attraktiver geworden. Auch hier gilt: Niemand weiß, ob es so weitergehen wird. Wenn sich diese Entwicklung jedoch fortsetzt, dann haben Investoren zu wenig in Märkten außerhalb der USA angelegt.

Fazit von Fox

Der Investmentstrategie Fox fasst zusammen: Die zweite Hälfte des Jahres wird ohne Zweifel noch weitere Überraschungen bereithalten. Und wie immer werden die Märkte ihren Weg finden und geduldiger Optimismus, gepaart mit ein wenig Risikobereitschaft, wird sich auszahlen.