Die globale Politik gerät aus den Fugen und wird bedrohlich, die Weltwirtschaft entwickelt sich stark uneinheitlich – dennoch hält die Hochstimmung an den Börsen an. Was tun?
Volkswirte und Analysten sind weiter bemüht, die zum Teil historischen Ereignisse unter einen Hut zu bringen. Das gelingt nur mühsam, vor allem beim Vergleich mit den euphorischen Börsentendenzen. So intensiv wie seit Jahren nicht mehr berichten alle Medien (selbst die Boulevard-Presse) täglich über Dax und Co. Denn die Diskrepanz zwischen Realwirtschaft und Finanzmarkt könnte kaum größer sein. Es ist eine Mischung aus Trump-Euphorie, expansiver Geldpolitik, einem Politikwechsel verbunden mit der Hoffnung auf bessere Zeiten im Euroraum und natürlich die übliche Jahresend-Rally, welche die Finanzmärkte beflügelt.
Trumps Sieg flutet US Small-Caps
Konkrete Ergebnisse liefert u.a. das Analyse- und Investmenthaus Morningstar: Man hat dazu die wöchentlichen Bewegungen der in Europa domizilierten ETFs während und unmittelbar nach der US-Präsidentschaftswahl analysiert. Seit den ersten Berichten über einen möglichen Sieg der Republikaner im Weißen Haus und im Kongress haben die Indizes S&P 500, Nasdaq und Dow Jones alle zugelegt, wobei der Small-Cap-Index Russell 2000 am 5. November fast 6 % höher schloss. Am gleichen Tag erreichte der US-Dollar-Index den höchsten Stand seit Juli und zog gegenüber anderen Weltwährungen an, während der Euro aufgrund der Erwartung höherer Zölle auf europäische Waren fiel.
Die Anleger reagierten sehr schnell auf das Wahlergebnis in der größten Volkswirtschaft der Welt, auch hier in Europa. Eine der besten Möglichkeiten, ihre Entscheidungen zur Vermögensallokation zu analysieren, ist die Beobachtung des Marktes für börsengehandelte Fonds, die von Natur aus leicht und schnell handelbar sind und sich auch für kurzfristige taktische Positionen eignen.
Die Profis haben die wöchentlichen Kapitalflüsse einiger ETF-Kategorien – derjenigen, die am stärksten vom Ausgang der US-Wahl betroffen sind – über einen Zeitraum von vier Wochen analysiert. Kurz gesagt reagierten die europäischen Anleger auf Trumps Wahlsieg mit dem Kauf von US-amerikanischen börsengehandelten Aktienfonds, sowohl von Large-Cap- als auch von Small-Cap-Werten. Gleichzeitig verkauften sie börsengehandelte Edelmetall-Rohstoffe – die meisten von ihnen sind in Gold engagiert –, Schwellenländeraktien und thematische Strategien für saubere Energie.
Atemberaubende Kryptowährungen
Ein ähnliches Zwischenergebnis melden die Helaba-Analysten: Bitcoin markierte einen historischen Moment und kletterte erstmals über die Marke von 100.000 US-Dollar. Doch nicht nur die Kryptowährung profitiert von der Trump-Wiederwahl. Auch US Small- und Mid-Caps sind Gewinner. Wohin geht der Preis der wichtigsten Kryptowährung als nächstes? Das Überschreiten dieser Schwelle könnte nach Einschätzung von Analysten zu weiteren Spekulationen führen, aber auch eine Korrektur ist nicht auszuschließen.
Aktien
Die fünf besten und schlechtesten deutschen Aktien im letzten Monat: Siemens Energy und Rheinmetall gehören zu den besten Werten des Monats, Bayer und RTL Group zu den schlechtesten. Rheinmetall bleibt ein Top-Pick im EU-Verteidigungssektor – die Aktie notiert weiterhin im unterbewerteten Bereich.
Regierungskrise in Frankreich
Nicht zu unterschätzen sind die (potenziellen) Konsequenzen der Regierungskrise in Frankreich. Die Unsicherheit bleibt groß. Bereits seit letzter Woche war es zu einem deutlichen Anstieg der französischen Risikoprämien gekommen. Zehnjährige OAT-Bund-Spreads waren am Montag zwischenzeitlich auf fast 90 Basispunkte angestiegen. DZ Bank Analystin Sophia Oertmann rechnet damit, dass die Spreads sogar bis in einen niedrigen dreistelligen Bereich anziehen könnten. „Unterstützt wird diese Entwicklung von den zum Jahresende auslaufenden PEPP-Reinvestitionen der EZB und von einem zunehmenden Verkaufsdruck asiatischer Investoren“, sagt die Kapitalmarktexpertin. Spekulationen, dass Frankreich in eine handfeste Staatsschuldenkrise wie Griechenland 2009 schlittern könnte, hält sie aber für übertrieben: „Zwar ist die französische Staatsschuldenquote mit rund 115 Prozent des BIP nur etwas niedriger als die von Griechenland. Mit 15 Prozent des BIP spielte das griechische Defizit damals aber in einer ganz anderen Liga.“
Deutschland Schlusslicht beim Wachstum
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rechnet für das zu Ende gehende Jahr mit einer Stagnation in Deutschland. Dies geht aus dem soeben veröffentlichten Wirtschaftsausblick der OECD hervor. Für das kommende Jahr prognostiziert die Organisation für Deutschland demnach ein Wachstum von 0,7 Prozent, wodurch Deutschland voraussichtlich das Schlusslicht unter den Industrieländern bilden wird. Für das darauffolgende Jahr 2026 wird eine leichte Verbesserung auf 1,2 Prozent erwartet. Als Gründe für die schwache Wirtschaftsaussicht nennt die OECD in ihrem Ausblick mehrere Herausforderungen: Hohe Unsicherheit über die Finanzierung und Umsetzung einer klimafreundlicheren Produktion drücke das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern in Deutschland, hieß es im Konjunkturausblick.
Das Problem China
Zusätzlich belaste eine schwache Auslandsnachfrage die Wirtschaftstätigkeit. Laut der OECD-Wirtschaftsexpertin Isabell Koske hemmt insbesondere der schwache Export nach China, mit dem Deutschland stärkere Handelsverflechtungen habe als andere Länder. Außerdem mache der deutschen Industrie auch die Konkurrenz chinesischer Hersteller zu schaffen. Nach der aktuellen Geschäftsklima-Umfrage der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) blicken deutsche Firmen in China wegen der Wirtschaftsprobleme im Land und zahlreicher Hürden so pessimistisch wie noch nie in die nähere Zukunft. Nur knapp ein Drittel der befragten Unternehmen erwartet demnach positive Entwicklungen für ihre Branche in der Volksrepublik für das kommende Jahr – ein historischer Tiefstand.
Kein attraktives Anlageklima
Zu guter Letzt: Vor diesem Hintergrund kann ich Ihnen, geschätzte Anleger, keine feste Empfehlung aussprechen. Einigermaßen sicher bleiben lediglich die Edelmetalle. Dort weiter zu investieren (wie von mir seit langem empfohlen), kann nicht falsch sein.