Die Propheten sind sich nicht einig. Denn dank Trump zeichnet sich keine einheitliche Erwartungshaltung für Wirtschaft und Finanzmärkte ab.
Aktuell lassen die Inflationssorgen weiter nach. Zugleich profitieren die Märkte von den Prognosen zur Geldpolitik: Die Leitzinsen dürften in den kommenden Monaten weiter gesenkt werden. Und: Europäische Börsen rücken wieder ins Blickfeld der Analysten.
Einflüsse der Trump-Politik
Die Inflations-/Zinsdiskussion bleibt also richtungsweisend für die Finanzmärkte – und damit für die Anleger. Namhafte Wissenschaftler lieferten in den vergangenen Tagen entsprechende Argumente. So fasste ZEW-Professor Heinemann zusammen: „Der Liberation Day des US-Präsidenten hat dem EZB-Rat nun genau die Argumente geliefert, die für eine erneute Zinssenkung noch gefehlt hatten. Die hohen Zölle auf US-Importe wirken asymmetrisch auf die Inflation in den USA und in Europa. Die US-Verbraucher müssen mit starken Preisanstiegen vor allem für China-Importe rechnen. In Europa ist es umgekehrt. Asiatische Ware wird nun mit Preisabschlägen nach Europa verschifft, hinzu kommen die Schwächeanfälle des US-Dollars und des Ölpreises. All das verbilligt jetzt europäische Importe und wird die Inflationsrate in der Eurozone rascher dämpfen als erwartet. Donald Trump fügt seinen US-Wählern Schaden zu durch höhere Verbraucherpreise und er schenkt den Europäern eine sinkende Inflationsrate – das sind die unerwarteten Folgen von Trumponomics.“
Europäische Reaktionen
Europa ist mit einem von den USA angezettelten Handelskonflikt konfrontiert, zudem mit der Aufgabe, unter großem (Zeit-)Druck seine Verteidigungsfähigkeit auf eine neue Basis zu stellen. Erste Schrittesind gemacht oder zumindest angekündigt, und diese können durchaus als kraftvoll beschrieben werden. Im Handelskonflikt setzt die EU bislang auf besonnene Gegenmaßnahmen, die je nach weiterer Entwicklung verschärft oder entschärft werden könnten.
An den Kapitalmärkten wurden die Bemühungen Europas, sich den Herausforderungen zu stellen, bisher wohlwollend wahrgenommen: So konnte sich der europäische Aktienmarkt in einem unruhigen Marktumfeld nicht nur relativ, sondern sogar direktional vom US-amerikanischen Leitmarkt abkoppeln. Diese Trends spiegeln einen Vertrauensverlust gegenüber amerikanischen Vermögenswerten wider. Fiskalische Expansion zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit dürfte aber als alleinige Strategie, um Investorenkapital zum Umzug nach Europa anzuregen, kaum ausreichen. Was benötigt wird, ist nicht nur die Stärkung der Nachfrage-, sondern auch der Angebotsseite, damit das Potentialwachstum wieder steigt. Nach Einschätzung der von mir besonders geschätzten Investmentstrategen von Allianz Global Investors gilt zusammenfassend: Auch wenn sich am Horizont kein europäisches Wirtschaftswunder abzeichnet, so könnte die derzeitige Situation dennoch dazu führen, zuletzt schlummerndes Potential zu neuem Leben zu erwecken. Das könnte den Kontinent bei Anlegern in einem neuen Licht erscheinen lassen und ihn zu den (relativen) Gewinnern gehören lassen.
Empfehlungen für die Anlagetaktik
AllianzGI hat deshalb u.a. folgende Empfehlungen für die Anlagetaktik zusammengestellt: Die Lage an den Kapitalmärkten dürfte weiter von hoher Unsicherheit und entsprechend hohen Kursschwankungen geprägt sein. Dennoch könnte das Bestreben der Trump-Administration, in der Zollpolitik die Wogen zu glätten, auf eine zumindest zeitweilige Beruhigung der Lage hindeuten. Ein weiteres Indiz dafür ist, dass die US-Regierung auf Verkaufsdruck der Kapitalmärkte zu reagieren scheint – hier vor allem auf steigende Renditen langlaufender US-Staatsanleihen.
Die Unsicherheit dürfte auch in der Realwirtschaft ihren Tribut fordern. Nach der spürbaren Abkühlung verschiedener Sentiment-Daten dürften die Kapitalmärkte sehr feine Antennen für eine Abkühlung der US-Konjunktur aufweisen. Mittelfristig stehen die USA vor starken fiskalischen Herausforderungen. Die Einnahmen aus Zöllen und aus Sparmaßnahmen dürften kaum zur Gegenfinanzierung von Steuersenkungen ausreichen. Falls die Ende dieses Jahres auslaufenden Steuererleichterungen nicht verlängert werden, würde die US-Konjunktur allerdings auf eine starke fiskalpolitische Straffung zulaufen.
Bei Betrachtung dieses Umfeldes erscheinen die Risikoprämien, insbesondere auf den US-Märkten, nicht besonders hoch. Dies gilt beispielsweise für die Kurs-Gewinn-Verhältnisse auf den US-Aktienmärkten als auch für die Laufzeitprämien für langlaufende US-Staatsanleihen. Der US-Dollar bleibt gemäß Kaufkraftparität merklich überbewertet.
Europa ist attraktiver
Die deutlich moderatere Bewertung der Aktienmärkte außerhalb der USA deutet weiterhin darauf hin, dass Kapital mittelfristig aus den USA in andere Märkte abfließen könnte. Gerade Europa bietet ein ausgeglicheneres Chance-/Risikoverhältnis bei gleichzeitig attraktiveren Risikoprämien.
Die Aktienmärkte stehen vor der Berichtssaison zum ersten Quartal 2025. Die Gewinnschätzungen der Analysten wurden zuletzt heruntergenommen, allerdings mit einer gewöhnlichen Geschwindigkeit. Es ist zu erwarten, dass sich die Aussichten der Unternehmen zunehmend differenzierter entwickeln werden (siehe mein letzter Kommentar zum „Stockpicking“). Ein wichtiger Faktor dürfte beispielsweise sein, wie stark Lieferketten von den Zollerhöhungen betroffen sein werden.
Aktien profitieren von Zinssenkung
Die US-Federal Reserve dürfte vor schwierigen Wochen stehen. Es deutet sich ein Zielkonflikt zwischen sich abschwächender Konjunktur und Beschäftigung bei gleichzeitig unsicherem Inflationsausblick an. Zinssenkungen erscheinen weiter möglich, allerdings womöglich in geringerem Maße als derzeit erwartet. In diesem Spannungsfeld bewegen sich auch die US-Anleihenmärkte. Die Erwartung einer steiler werdenden Zinskurve erscheint in diesem Umfeld weiter angemessen.
Dagegen sieht der Ausblick für die Europäische Zentralbank unkomplizierter aus: Zyklisch erscheint der Inflationsdruck geringer zu werden und der unsichere Konjunkturausblick aufgrund des Handelskonflikt verstärkt diesen Eindruck. Außerdem sollte sich der Inflationsdruck durch einen gegenüber dem US-Dollar aufgewerteten Euro abschwächen. In der Eurozone dürften also weitere Zinssenkungen bevorstehen, davon profitieren wohl auch die dortigen Anleihemärkte.