„Mehr Rohstoffsouveränität wagen“ – Ein Rückblick auf den BDI-Rohstoffkongress 2024

von | 12. Nov 2024 - 13:30 | Wirtschaft

Positive Entwicklungen, aber noch viel zu tun: Hochkarätiges Gipfeltreffen in Berlin startet mit durchwachsenem Zeugnis für die Politik.

Unter dem Motto „Mehr Rohstoffsouveränität wagen“ hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) am 11. November zum achten Rohstoffkongress geladen. Etwa 200 Teilnehmer aus Politik und Wirtschaft und zahlreiche Medienvertreter kamen der Einladung in die ehemalige Heeresbäckerei in Berlin nach.

Zur Einstimmung: Focus-Sessions laden zum Netzwerken ein

Schon vor der offiziellen Eröffnung durch BDI-Präsident Siegfried Russwurm konnten sich die Teilnehmer für eine von drei parallel stattfindenden „Focus Sessions“ mit kurzen Impulsvorträgen und Diskussionen entscheiden. Eine dieser Sessions ging der Frage nach, wie sich der afrikanische Kontinent als Rohstofflieferant etablieren kann und wie deutsche Unternehmen Partnerschaften vor Ort eingehen können. Ein Punkt, der dabei immer wieder und auch in späteren Vorträgen genannt wurde, ist der Mehrwert, der in den Zielländern für Investitionen geschaffen werden müsse. Dabei geht es neben der Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinschaften und dem Aufbau von Infrastruktur auch um technologische Partnerschaften. Transparenz bei allen Vorhaben war für Botschafterin der Demokratischen Republik Kongo, Louise Nzanga Ramazani, ein weiterer entscheidender Punkt. Hierzu gehören Rückverfolgbarkeit und Zertifizierung von Rohstoffen.

Welche Alternativen es zum klassischen Bergbau gibt, wurde in der Session „Innovationen in der Rohstoffversorgung“ besprochen. Neue Wege bietet neben dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz der Sekundärbergbau, also die Rohstoffgewinnung aus Hinterlassenschaften wie Abraumhalden, aber auch die Förderung kritischer Ressourcen in der Tiefsee. Trotz des von Deutschland unterschriebenen Moratoriums finden weiterhin Studien zu Chancen und Risiken des Deep-Sea-Minings statt. Für 2026 plant die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Testexplorationen in der Clarion-Clipperton-Zone, um den Einfluss auf die Bodenfauna beurteilen zu können.

BDI-Präsident Siegfried Russwurm.

Kein Platz im Vortragssaal blieb anschließend unbesetzt, als BDI-Präsident Russwurm sein Fazit zur Entwicklung der Rohstoffpolitik seit dem letzten Kongress vor zwei Jahren zog. Dieses Resümee fiel durchwachsen aus. Mit dem Critical Raw Materials Act (CRMA) der EU, verschiedenen Rohstoffpartnerschaften und dem deutschen Rohstofffonds gebe es positive Beispiele, das Bundesbergbaugesetz sei jedoch noch immer nicht modernisiert worden. Dabei könnte gerade dieses helfen, die Ziele des CRMA zu erreichen, und zum „Booster“ für die nationale Umsetzung werden. „Too little, too late“, also zu wenig und zu spät, würde in Deutschland gehandelt; im Gegensatz zu globalen Wettbewerbern wie China. Dabei drohe dem Standort Deutschland ein Milliardenrisiko,  sollte die Volksrepublik etwa den Export von Lithium kurzfristig stoppen.

Wichtigkeit der Rohstoffversorgung noch nicht überall angekommen

Die Bedeutung von Rohstoffen müsse in Politik, aber auch Gesellschaft ankommen, andernfalls könnten neue Projekte weiterhin blockiert sein. Statt dem Ausstieg aus bestimmten Industrien müsste in Deutschland wieder eingestiegen werden, Förderung und Weiterverarbeitung von Ressourcen seien wichtige Beispiele. Lobende Worte fand Russwurm unterdessen für die Parlamentarische Staatsekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Franziska Brantner, die anschließend ihre Sicht der Dinge darlegte. Auf der einen Seite sei die Abhängigkeit von China deutlich gestiegen, diejenige von Russland bei Metallen wurde hingegen deutlich reduziert. Eine Autarkie bei kritischen Rohstoffen sei dabei nicht anzustreben, Brantner plädierte vielmehr für Rohstoffpartnerschaften.

Parlamentarische Staatssekretärin Franziska Brantner.

Wie diese bereits funktionieren oder funktionieren könnten, diskutierten im weiteren Verlauf Toralf Haag, CEO der Aurubis AG, Staatssekretärin Susanne Baumann, der Botschafter Argentiniens, Fernando Brun, und der kasachische Minister für Industrie, Kanat Sharlapaev. Wie auch andere Redner zuvor sprach sich Sharlapaev für den Aufbau von Wertschöpfungsketten vor Ort aus. Damit sei auch eine entscheidende Herausforderung zu überwinden: die Logistik. Denn aufbereitete Rohstoffe weisen weniger Volumen und Gewicht auf, so der Politiker.

Weitere Vorträge und Paneldiskussionen befassten sich mit Themen wie der geopolitischen Bedeutung der Rohstoffsicherung, der Kreislaufwirtschaft und dem heimischen Bergbau. Ein „takeaway“ dieser Beiträge: Ohne Aufpreis oder staatliche Anreize für Rohstoffe aus der Gewinnung in Deutschland dürften sich viele Projekte nicht lohnen, zu groß ist die Markt- und Preismacht Chinas. Finanzierung und überbordende Regulierungen waren auch in den persönlichen Gesprächen an den Ausstellungsständen im Rahmenprogramm des Kongresses zentrale Themen. Es gibt offenbar noch viel zu tun in Deutschland; der im Motto der Veranstaltung enthaltene Aufruf zu mehr Wagemut könnte dem Vernehmen nach hierbei durchaus helfen.

Wir bedanken uns für die interessanten Gespräche vor Ort und selbstverständlich beim BDI für die Einladung zum Kongress.

Alle Photos: Rohstoff.net