Im Vorfeld des Critical Materials Forum in Berlin, veranstaltet von dem Marktforschungsunternehmen Project Blue in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), haben wir uns mit Head of Consulting Jessica Fung zusammengesetzt, um einen Einblick in die sich entwickelnden Märkte für kritische Mineralien zu erhalten.
Welche Verteidigungstechnologien oder -systeme erzeugen derzeit die höchste Nachfrage nach kritischen Rohstoffen?
Kritische Materialien kommen in allen Verteidigungstechnologien, -systemen und -ausrüstungen zum Einsatz. Je nach Eigenschaften werden sie unterschiedlich verwendet. Die Nachfrage aus dem Verteidigungssektor wächst derzeit stark, insbesondere durch strategische Veränderungen in modernen Konflikten, in denen vor allem Luft- und unbemannte Systeme wie Raketen, Drohnen und Abwehrtechnologien an Bedeutung gewinnen.
Seltene Erden werden hauptsächlich in Antriebssystemen für Jets und Drohnen verbaut, aber auch in Sensoren, Linsen, LED-Displays und Lasersystemen. Sogar Lithium-Ionen-Batterien finden über Drohnenanwendungen Eingang in den militärischen Bereich.
Platingruppenmetalle (PGMs) sind aufgrund ihrer physischen und elektronischen Eigenschaften besonders wichtig. Hervorzuheben ist Ruthenium, das wegen seiner Hitzebeständigkeit in Verteidigungssystemen an Bedeutung gewinnt, da dort immer mehr Elektronik und aerodynamischer Widerstand berücksichtigt werden müssen.
Auch alle Halbleiter und die dafür benötigten Materialien sind entscheidend – nicht nur die Bestandteile selbst, sondern auch die Rohstoffe für deren Herstellung.

Die Liste der von der NATO als strategisch eingestuften Materialien wird immer länger, wobei China bei mehr als der Hälfte dieser Materialien der führende Hersteller ist.
Wie stark ist der Westen angesichts der jüngsten chinesischen Exportbeschränkungen gefährdet bezüglich Störungen bei der Versorgung mit kritischen Rohstoffen, insbesondere für sensible Verteidigungsanwendungen?
Erst in den letzten vier Jahren – seit dem Russland-Ukraine-Konflikt – hat die Deglobalisierung die Verteidigungsstrategie im Bereich kritischer Rohstoff-Lieferketten spürbar beeinflusst. Zuvor stand vor allem die Energiewende im Fokus.
Die chinesischen Exportbeschränkungen seit 2023, unter anderem für Gallium, Germanium, Antimon, Seltene Erden, Wolfram, Graphit, Molybdän, Bismut, Indium und Tellur, haben diese Entwicklung weiter verschärft.
Seit 2022 steigen die Verteidigungsausgaben deutlich, dennoch hat sich die geografische Herkunft von Rüstungsgütern bislang kaum verändert. Grund dafür ist, dass der Aufbau entsprechender Produktionskapazitäten und die Zertifizierung neuer Lieferketten in diesem sensiblen Bereich Jahre dauern.
Die Versorgungskette für kritische Rohstoffe musste sich allerdings bereits anpassen. Ein gutes Beispiel ist Titan: Russland war lange Zeit der weltweit größte Lieferant für Luft- und Raumfahrt-taugliches Titan. Mit den Sanktionen gegen russische Rohstoffe und freiwilligen Selbstbeschränkungen von Unternehmen – insbesondere im Verteidigungsbereich – stiegen die Preise, und es kam zu Versorgungsengpässen.
Welche Länder oder Regionen positionieren sich im Zuge der globalen Neuordnung der Lieferketten als alternative Bezugs- oder Verarbeitungsquellen für kritische Rohstoffe in der Verteidigungsindustrie?
Beim jüngsten G7-Gipfel Mitte Juni 2025 sprachen sich die Mitgliedsstaaten für den gezielten Ausbau von Lieferketten für kritische Mineralien aus. Insbesondere sollen Entwicklungsbanken (DFIs) und Exportkreditagenturen (ECAs) enger in diese Strategie eingebunden werden. Gleichzeitig wurde in der Abschlusserklärung betont, dass eine verstärkte Zusammenarbeit über die G7 hinaus notwendig ist – etwa mit Australien, Indien, Südkorea und Afrika.
Der Schlüssel zur Rohstoffversorgung liegt dabei vor allem in Genehmigungen und Verarbeitungskapazitäten. Die weltweiten Vorkommen und Reserven sind größtenteils gut kartiert, viele Projekte sind seit Jahrzehnten bekannt. Doch regulatorische Hürden – allen voran langwierige Genehmigungsverfahren – behindern die Finanzierung und Umsetzung. Gleichzeitig müssen Rohstoffe umweltverträglich und nachhaltig gefördert und verarbeitet werden, was aufgrund unterschiedlicher geologischer Bedingungen, Verfahrensabläufe und Logistikstrukturen zusätzliche Komplexität für politische Entscheidungen schafft. Eine einheitliche Lösung für alle Projekte gibt es nicht – das bremst die Entwicklungszeit.
Die zweite Herausforderung ist die Verarbeitung der Rohstoffe zu hochwertigen Vorprodukten oder Legierungen, die für den Einsatz in Technologie- und Verteidigungsanwendungen geeignet sind. Hier muss die Kapazität deutlich ausgeweitet werden, um den künftigen Bedarf zu decken. Aktuell gibt es weltweit nur wenige Hersteller mit der nötigen Erfahrung und den entsprechenden Zulassungen für die Verteidigungslieferkette.
Allerdings melden sich zunehmend Produzenten aus Regionen wie Zentralasien oder Südamerika, die sich in die Lieferkette einklinken wollen – insbesondere Unternehmen, die bislang Rohstoffe in Industrie- oder Standardqualität liefern und nun ihre Fähigkeiten aufrüsten möchten.

Jessica Fung – Head of Consulting bei Project Blue. Foto: Project Blue
Das vollständige Interview in englischer Sprache finden Sie hier.
Die Anmeldung für das Critical Materials Forum Berlin ist über die Website von Project Blue möglich – hier geht es zur Registrierung.
