Konjunktur und Politik als Börsenbremsen

von | 2. Dez. 2024 - 08:35 | Kutzers Corner

Die (zum Teil) gegensätzlich wirkenden Einflüsse auf die Börsen sind seit einiger Zeit bekannt. Konjunktur und Politik gewinnen mit Blick auf 2025 jetzt an Gewicht.

Die meisten Analysten haben in den vergangenen Tagen ihre Haltung nicht entscheidend verändert. Das Börsenbild bleibt also uneinheitlich, da die Einschätzungen der politischen und wirtschaftlichen Perspektiven auseinander gehen. In vielen Analysen gilt der Fokus jetzt den amerikanischen Präsidentschaftswahlen, die reichlich Unsicherheit ausstrahlen. Aber auch Europas Aussichten für Politik und Wirtschaft sind alles andere als ermutigend, wenn auch (bisher) nicht ähnlich wirkungsvoll wie die amerikanischen. Doch bleiben die Finanzmärkte auffallend widerstandsfähig. Kein Wunder, dass „Resilienz“ zu einem Modewort in der Wirtschaftswelt geworden ist.

Protektionismus gefährdet Wachstum

Investmentstrategen versuchen deshalb auszuloten, wo im kommenden Jahr die Chancen und Risiken liegen – die Einflüsse der politischen Entwicklungen auf die Weltwirtschaft nehmen dabei inzwischen breiten Raum ein. So auch in einer neuen Untersuchung von Carsten Klude (M.M.Warburg), der schreibt: Ein möglicher Handelskrieg, den US-Präsident Trump auslösen könnte, würde nicht nur die Wachstumsaussichten in Deutschland und der Eurozone negativ beeinflussen, sondern in allen Ländern, die in nennenswertem Umfang in die USA exportieren. Dies stellt eine erhebliche Belastung für die Weltwirtschaft im kommenden Jahr dar. Unter den Industrieländern sind vor allem Kanada und die Schweiz betroffen, aber beispielsweise auch die Niederlande und Japan. Aber nicht nur die Industrieländer, sondern auch die Schwellenländer könnten von Handelsbeschränkungen negativ betroffen sein, möglicherweise sogar noch stärker.

China im Fokus

Unter den Schwellenländern wird insbesondere China im Fokus stehen, das Trump bereits in seiner ersten Amtszeit auf dem Kieker hatte. Noch dramatischer könnten die Folgen für Mexiko sein, dessen Exporte in die USA gut 25 Prozent des mexikanischen BIPs ausmachen. Macht Trump also ernst mit seinen Ankündigungen (wovon aus-zugehen ist), gilt die im Oktober 2024 veröffentlichte Wachstumsprognose des IWF für die Weltwirtschaft als zu optimistisch.

Klude: „Statt erneut rund drei Prozent dürfte das Weltwirtschaftswachstum 2025 niedriger ausfallen. Zumal der einstige Wachstumsmotor der Weltwirtschaft, China, nach wie vor mit erheblichen strukturellen Problemen zu kämpfen hat. Die ungelösten Probleme auf dem Immobilienmarkt, vor allem aber die negative demografische Entwicklung könnten das Wachstum 2025 und in den Folgejahren stärker dämpfen als erwartet.“ So gehen die Vereinten Nationen davon aus, dass die chinesische Bevölkerung von derzeit 1,4 Milliarden Menschen bis 2050 auf 1,3 Milliarden schrumpfen wird. Bis 2100 wird sogar fast eine Halbierung der chinesischen Bevölkerung auf knapp 800 Millionen Menschen erwartet. Dies dürfte erhebliche negative Auswirkungen auf das zukünftige Wirtschaftswachstum Chinas haben, da mit der sinkenden Bevölkerungszahl auch der private Konsum und die Investitionen zurückgehen werden. Für das Wirtschaftswachstum im Jahr 2025 ist dies jedoch (glücklicherweise) noch kein Thema.

Auf das Beste hoffen

Klude resümiert: „Unser Fazit für den Konjunkturausblick 2025 lautet: Aus konjunktureller Sicht und mit Blick auf die zweite Amtszeit von Donald Trump gilt: Mit dem Schlimmsten rechnen, aber auf das Beste hoffen. Wir sind gespannt, welche Überraschungen die nächsten Monate bringen.“

Unterbewertete deutsche Aktien

Es mag Sie überraschen, geschätzte Anleger, dass zahlreiche deutsche Aktien zurzeit im unterbewerteten Bereich notieren. Die Morningstar-Analysten beobachten rund 1.740 Aktien. Diese werden mit Sternen bewertet – je nachdem, ob der Analyst die Aktie für über- oder unterbewertet hält. Die Titel, die als unterbewertet gelten, erhalten ein Sterne-Rating von 4 und 5. Überbewertete Aktien erhalten 1 oder 2 Sterne. Wir blicken hier auf die 49 deutschen Unternehmen in der Abdeckung nach der abgelaufenen Berichtssaison zum 3. Quartal.

Der Morningstar Germany Index GR ist seit Jahresbeginn zwar knapp 14 % im Plus, doch im November ist von einer vorweihnachtlichen Rally nichts zu spüren. Vielmehr geht‘s volatil seitwärts. Denn die Aktienmärkte erleben durch die Diskussionen über eine Wiederwahl Trumps zum US-Präsidenten und den Zusammenbruch der Berliner Ampel-Koalition einen turbulenten Monat. Die exportstarken deutschen Blue Chips werden durch mögliche US-Zölle belastet, gleichzeitig kamen vom Aus der Ampel-Koalition durchaus positive Impulse durch Hoffnungen auf wirtschaftliche Reformen und einen Neustart nach dem Regierungswechsel. Gleichzeitig konstatierte EY den DAX-Werten eine durchwachsene Berichtssaison mit rückläufigen Gewinnen und einem kräftigen Umsatzminus in Asien.

Nach den Kursturbulenzen rangieren 23 Titel im unterbewerteten Bereich – und damit drei Titel weniger als bei der Analyse im August im Anschluss an die Berichtssaison zum 2. Quartal.

Unsere Methodik: Morningstar-Analysten bewerten Aktien anhand der Kennzahl Kurs/Fair Value. Ein Kurs-/Fair Value-Verhältnis von 1 bedeutet, dass das Unternehmen fair bewertet ist, während ein Wert um 2 bedeutet, dass er doppelt so hoch bewertet ist wie der faire Wert, und die Aktie somit überbewertet ist.

Dies heißt also, dass die Analysten davon ausgehen, dass Anleger über einen mehrjährigen Anlagehorizont hinweg eine Rendite erzielen würden, die unterhalb einer angemessenen risikobereinigten Rendite liegt. Das Sterne-Rating für Aktien wird bei Marktschluss börsentäglich neu berechnet, das Kurs-/Fair Value-Verhältnis einer Aktie wird also fortlaufend aktualisiert.

Die am stärksten unterbewerteten deutschen Aktien

Drei Titel sind seit der August-Analyse neu in den unterbewerteten Bereich gerutscht: DHL Group, Merck KGaA und Sartorius. In der Liste der nach Morningstar-Einschätzung zurzeit am stärksten unterbewerteten Aktien tummeln sich zurzeit vor allem die Automobilwerte. Aber auch die durch die Glyphosat-Krise rund um Monsanto angeschlagene Bayer AG ist dabei. Alle Titel mussten in diesem Jahr teils deutliche Kursverluste hinnehmen, bleiben aber unterbewertet, auch wenn die Analysten für drei Titel – Bayer, Mercedes Benz und BMW – die Schätzung des fairen Wertes bereits nach unten angepasst haben.