Jetzt ist alles möglich – auch an den Finanzmärkten

von | 10. März 2025 - 08:19 | Kutzers Corner

Kriegsangst breitet sich aus an den Börsen. War die Kursentwicklung bisher erotisch, so ist sie mittlerweile erratisch geworden. Konkrete Prognosen beruhen deshalb auf dünnem Eis. 

Das gilt insbesondere für die führenden Aktienmärkte. Die Auf- und Absprünge des DAX um 3 Prozent pro Tag in den vergangenen Tagen haben etliche professionelle Investoren in die Bredouille gebracht. 9 Prozent haben die Reißleine gezogen und ihre Short-Engagements geschlossen. Viele in Short-Squeeze-Not, wie der Frankfurter Stimmungsanalyst Joachim Goldberg vermutet. 12 Prozent sind direkt long gegangen. Der Sentiment-Index steigt auf +7 Punkte. Anders die Privaten, von denen 2 Prozent von long zu short gewechselt sind. Das ergibt eine Marktstimmung von +4 Punkte. Viele bleiben bei ihrer bärischen Haltung, wie Goldberg im jüngsten Wochenbericht bemerkt.

Unterm Strich sieht er nun größere Schieflagen aus den Vorwochen als bereinigt an, was die stützende Nachfrage an der Unterseite reduziert habe. An der Oberseite rechnet er ab 23.400/450 Punkten mit Verkäufen. Sentimenttechnisch gilt das als eine Verschlechterung der Situation.

Zinsfantasie ist verflogen

Und was ist jetzt von den für die Finanzmärkte so wichtigen Zinstrends zu erwarten? Die meisten Börsianer haben auf absehbare Zeit keine Hoffnung mehr auf Zinssenkungen. Auch der Ifo-Präsident Clemens Fuest sieht nach dem jüngsten Schritt der EZB keinen Spielraum mehr für weitere Zinssenkung. „Die Zinssenkung der EZB ist von den Märkten erwartet worden und war bereits eingepreist. Der Hauptrefinanzierungszins liegt jetzt nur noch knapp über der Inflationsrate. Steigende Löhne und wachsende staatliche Neuverschuldung könnten dazu führen, dass die Inflation nicht weiter sinkt, sondern eher wieder steigt. Deshalb dürften die Spielräume für weitere Zinssenkungen gering sein“, sagt Fuest. Der EZB-Rat hat vergangene Woche beschlossen, die drei Leitzinssätze der EZB um jeweils 0,25 Prozentpunkte zu senken.

Politische Einflüsse

„An der erneuten Rücknahme des Leitzinses führte kein Weg vorbei. Angesichts der schlechten Wirtschaftslage, der weiteren Eskalation im Handelskrieg und immer noch optimistischer Inflationsprognosen überwogen die Argumente für eine weitere Normalisierung des Zinsniveaus stark. Allerdings ist die Normalisierung mit diesem Schritt nun weit fortgeschritten. Außerdem bahnt sich ein Richtungswechsel in der Fiskalpolitik des größten Euro-Landes an. Wenn die Absprachen von Union und SPD zur weitgehenden Lockerung der Schuldenbremse Realität werden, dann schwenkt Deutschland auf eine stark expansive Fiskalpolitik um. Zum Preisdruck höherer Zölle kämen dann auch neue inflationäre Impulse hoher schuldenfinanzierter Ausgabeprogramme. Die EZB muss jetzt sehr vorsichtig sein, dass sie nicht wie schon einmal in der Pandemie deutlich erkennbare Inflationsgefahren kleinredet. Die Geldpolitik darf nicht weiter Gas geben, wenn die Fiskalpolitik Vollgas gibt.“

Höhere Schulden führen zu Zinsanstieg

Höhere Schulden bedeuten aber auch höhere Zinsen. Würde Deutschland in den nächsten zehn Jahren jährlich 200 Milliarden Euro mehr Schulden aufnehmen, stiege die Staatsverschuldung von derzeit 2,7 Billionen Euro auf 4,7 Billionen Euro. Die Schuldenstandsquote könnte bei einer konservativen Wachstumsprognose von nominal drei Prozent pro Jahr in den nächsten zehn Jahren von derzeit gut 60 auf rund 80 Prozent steigen. Bei einem positiveren Wachstumsszenario von nominal vier Prozent pro Jahr steigt die Schuldenquote dagegen nur auf 74 Prozent. Damit läge sie aber immer noch unter dem bisherigen Höchststand von 80 Prozent im Jahr 2010, sodass wir insgesamt von einem moderaten Zinsanstieg ausgehen.

Zinsprognosen korrigiert

Und so schreiben die Strategen von M.M. Warburg: Unsere Prognose, dass die Rendite für 10-jährige Bundesanleihen aufgrund weiterer Zinssenkungen der EZB, einer schwachen Konjunktur in der Eurozone und einer sich in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels bewegen die Inflationsrate bis Jahresende auf unter zwei Prozent zurückgehen wird, können wir nicht mehr aufrechterhalten. Zwar dürfte der Druck auf die Anleihekurse zunächst hoch bleiben, bis zum Jahresende rechnen wir aber mit einer deutlichen Beruhigung am Rentenmarkt und einer Rendite von dann 2,4 Prozent. Denn eines ist auch klar: Beschlüsse über Sondervermögen und höhere Verteidigungsausgaben sind leichter zu fassen als umzusetzen, selbst wenn sie wie angekündigt verabschiedet werden.

Paradigmenwechsel für die Wirtschaft

 Fazit: Diese Vorschläge markieren einen möglichen Paradigmenwechsel in der deutschen Wirtschaftspolitik. Nach Jahren der Sparpolitik und des Festhaltens an der “Schwarzen Null” könnte ein investitionsorientierter Ansatz die deutsche Wirtschaft revitalisieren. Die Kombination aus Verteidigungsausgaben und Infrastrukturinvestitionen könnte der richtige Mix sein, um Deutschland aus der wirtschaftlichen Stagnation zu führen. Ich teile die Meinung der Banker: Wir brauchen diesen “Whatever-it-takes”Moment – die Pläne liegen auf dem Tisch, jetzt ist politischer Mut zur Umsetzung gefragt!