Inflation und Zinsen können Mut machen

von | 3. Feb. 2025 - 08:39 | Kutzers Corner

Politik und Wirtschaft wachsen immer enger zusammen. Für die Strategie der Anleger spielen aber die monetären Faktoren eine noch größere Rolle.

Die Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen konnten Sie, geschätzte Privatanleger, in der vergangenen Woche auf beiden Seiten des Atlantiks beeindruckend verfolgen. Daran wird sich 2025 auch nichts ändern. Zugleich machte die robuste Kursentwicklung an den Börsen deutlich, dass sich die Finanzmärkte vor allem an den monetären Faktoren orientieren – Inflation, Zinsen, Liquidität. Das heißt, für Aktien und Anleihen sind in erster Linie die Kapitalströme Ausschlag gebend und nicht die Konjunkturdaten: Was machen die Großanleger?  

Deutsche Inflation sinkt

Die jüngsten Daten machen Volkswirten und Finanzanalysten neuen Mut: Das Statistische Bundesamt hat die vorläufigen Ergebnisse zur Entwicklung der deutschen Inflationsrate im Januar 2025 veröffentlicht. Die am deutschen Verbraucherpreisindex gemessene Inflationsrate ist diesen Berechnungen zufolge von 2,6 auf 2,3 Prozent gefallen. Dazu ZEW-Ökonom Professor Friedrich Heinemann: Bei der Inflationsdynamik bleiben die Dienstleistungen der Preistreiber Nummer eins. Die im Vorjahresvergleich stabilen Energiekosten und die moderaten Preise für Waren bremsen die Inflation derzeit. Außerdem wirkt die sehr schlechte Wirtschaftslage preisdämpfend. Menschen, die um ihren Job fürchten, werden vorsichtig bei den Lohnforderungen.

Die Inflation könnte allerdings zurückkommen, wenn ein beginnender Handelskrieg die Importpreise verteuern würde. Es bleibt zu hoffen, dass die EU auf die Trump-Zölle nicht überreagiert und den europäischen Konsumenten nicht durch neue EU-Zölle auf Importwaren das Leben teurer macht. Dann wären die Aussichten auf die Rückkehr zur Zwei-Prozent-Inflation in diesem Jahr nicht schlecht.

Leitzinsen bald sogar unter 2 Prozent?

Die Industrie plant seltener ihre Preise zu erhöhen, während konsumnahe Dienstleister sie häufiger anheben wollen. „Damit dürfte die Inflationsrate auch in den kommenden Monaten bei etwa 2,5 Prozent und damit über dem Ziel der Europäischen Zentralbank liegen“, sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Für die gesamte Wirtschaft liegen die Preiserwartungen der Münchner Ifo-Forscher im Januar bei 19,6 Punkten, nach 19,7 im Dezember. Im Verarbeitenden Gewerbe sind die Preiserwartungen auf 6,6 Punkte gesunken, nach 6,9 im Dezember. Dies war vor allem auf die energieintensiven Industriebereiche zurückzuführen, die in den kommenden Monaten verstärkt ihre Preise senken wollen. Im Bauhauptgewerbe sind die Preiserwartungen auf 0,5 Punkte gestiegen, nach minus 0,9 im Dezember. Damit wollen wieder mehr Bauunternehmen ihre Preise anheben als senken.

Werner Krämer, Senior Economic Analyst bei Lazard Asset Management Deutschland, sieht in seiner aktuellen Betrachtung vier große Themen in den USA, die erheblich auf die Welt und Europa abstrahlen dürften: Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung, Deregulierung im Banken- und Energiesektor, Außenhandel inklusive Zölle und schließlich die Migration. Diese Themen werden in ihrer Wirkung nicht an den US-Grenzen halt machen. Die Auswirkungen könnten jedoch kaum gegensätzlicher sein – gerade auf die Inflation und damit auch auf die Zinsen.

Europa und USA auf getrennten Wegen

„Unter der neuen US-Administration wird die Welt weiter in Blöcke und Einzelnationen zerfallen“, lautet Krämers Prognose. Der 40 Jahre währende Prozess der Globalisierung wird umgekehrt.“ Europa und die USA gehen aus seiner Sicht getrennte Wege. Er nennt das Deliberalisierung (an die ich noch nicht glauben will): „Die Europäer fördern zunehmend eine Marktwirtschaft, in der der Staat mehr Einfluss nimmt, stärker reguliert und einengt. Im Gegensatz dazu verfolgen die Amerikaner eine libertäre Linie. Mit ihrem Turbokapitalismus schaffen sie einen Gegenentwurf zu Europa, so dass beide Modelle nicht mehr recht zusammenpassen.“

Gewinner und Verlierer

Die Entwicklung in entgegengesetzte Richtungen erzeuge Gewinner und Verlierer. Dies könne man am Wachstum und der Produktivität der G7-Länder bereits erkennen, so der Ökonom: „Die Amerikaner ziehen voran und erhalten jetzt noch einmal einen weiteren Schub durch ihren neuen Präsidenten. Dieser Wachstumsschub wird zusätzlich durch Produktivitätsgewinne untermauert, deren Ursprung in den Innovationen der sieben großen Technologieführer liegt.“ Aktuell sähe man in den USA Technologiesprünge wie selten zuvor.

In Europa dagegen sei die Wachstumskurve flach. Dies sei kein Weltuntergang, aber eben auch kein Wachstum, erläutert Krämer: „Wir sehen einen klaren Mangel an Wachstum, das sich nur ganz wenig beschleunigt und darunter leidet, dass die Produktivität in Europa im Vergleich zu den USA stark zurückgegangen ist.“

Was machen die Notenbanken?

In Europa hat die Wachstumsschwäche allerdings dazu beigetragen, die Inflation einzudämmen. Krämer: Sie stabilisiere sich im Zwei-Prozent-Korridor und sei unter Kontrolle. In den USA sähe das Bild anders aus, denn dort sei die Teuerungsrate nach wie vor recht hoch und werde durch die neuen Maßnahmen noch einmal angeheizt. Der Volkswirt prognostiziert: „Ich gehe davon aus, dass die Inflationsdiskussion sich stärker in die Vereinigten Staaten verlagern wird, wie man auch an den Inflationserwartungen sieht. Die gehen in den USA eher hoch, anders als in Europa. Wir sehen in den USA also höheres Wachstum bei steigenden Preisen und in Europa wenig Wachstum bei kontrollierter Inflation.“

Diese unterschiedliche Ausgangskonstellation führe zu entgegengesetzten Erwartungen der Anleger an die Notenbanken: „Mittlerweile ist in den USA nur noch eine Zinssenkung eingepreist, die im März oder Frühsommer erwartet wird“, so Krämer. Dagegen ist in Europa die Stimmung schlecht, das Wachstum schwach und die Inflation niedrig, so dass die Marktteilnehmer von der Europäischen Zentralbank deutliche Senkungen des Leitzinses erwarten und diese auch bereits eingepreist haben – bis auf zwei Prozent. Krämer glaubt sogar (ähnlich wie andere Experten), dass es noch tiefer gehen wird. Denn ohne die Hilfe der EZB werden wir die Krise in Europa nicht überwinden.