Die Welt gerät immer mehr aus den Fugen. Trotzdem bleiben die Börsen bisher widerstandsfähig – liquiditätsgestützt. Aber Vorsicht!
Die sich weiter zuspitzenden Konflikte Russland/Ukraine, in Nahost und der Rechtsruck in den Industrieländern schaffen eine zunehmende Verunsicherung, die sich bisher (noch) nicht nachhaltig an den Finanzmärkten niedergeschlagen hat. Und das, obwohl durch die Ost-West-Spannungen inzwischen sogar schon die Kriegsgefahr diskutiert wird. Hinzu kommt die Frage – nicht erst seit dem Attentat auf Donald Trump –, wie sich die Vereinigten Staaten selbst politisch weiterentwickeln werden. Die Demokratie ist nicht nur in Europa gefährdet.
Kurzfristig ist Abwarten eine Alternative
Was tun, fragen sich immer mehr Privatanleger. Ein alter Bekannter brachte es wie folgt auf den Punkt: „Wir bewegen uns zwischen KI und KK.“ Gemeint sind Künstliche Intelligenz und Kalter Krieg. Die Gelassenheit schwindet, die Unsicherheit tut den Börsen aber noch nicht weh. Privaten Anlegern mit kurz- bis mittelfristigem Zeithorizont bietet sich jetzt an, erst einmal abzuwarten und ihre Positionen in Wertpapieren, Gold und Industrierohstoffen zu halten. Denn ich sehe keine Notwenigkeit, jetzt seine Börsenbestände nervös abzubauen. Taktisch ist keine Hektik angesagt. Strategisch, also langfristig, bieten sich schwächere Phasen sogar zu einer Aufstockung der Sach-Investments (z.B. für die private Altersvorsorge) an.
International streuen ist weiter sinnvoll
Aktienindizes, die die ganze Welt abbilden, haben sich seit der globalen Finanzkrise 2007 verändert und spiegeln die Entwicklungen in der realen Wirtschaft, aber auch langfristige demographische und Verbraucher-Trends wider. Dazu schreibt mir Markus Weis, Deutschland-Chef bei SPDR ETFs: Der Aktienmarkt war früher von Finanz- und Energieunternehmen dominiert, jetzt bestimmen ihn Technologieaktien. Dass diese Veränderung kommen würde, war ungewiss und der zukünftige Verlauf ist ebenfalls offen. Gerade deshalb suchen Investoren nach langfristigen, breit gestreuten Aktienanlagen, um von künftigen Veränderungen in der globalen Wirtschaft zu profitieren und gleichzeitig das Risiko zu minimieren. Obwohl die Aktienbewertungen derzeit hoch bzw. teuer sind und geopolitische Risiken bestehen, wird der Markt durch erwartetes Gewinnwachstum, lockerere Geldpolitik und eine Erholung der globalen Wirtschaft unterstützt.
Gute Ergebnisse von Portfoliobeispielen
Banken und Investmentgesellschaften haben gute Argumente, sich weiter für international breit gestreute Anlagen stark zu machen – basierend auf kurz- und längerfristigen Ergebnissen. Beispiel ein Musterportfolio der DZ Bank. Das hat vor allem dank stark steigender Börsenkurse im ersten Halbjahr um 7 Prozent zugelegt. „Und das liegt vor allem an der guten Performance des US-Index Nasdaq. Aber auch der Dax zeigt sich mit einem Kursanstieg von 10 Prozent von seiner Sonnenseite,“ sagt Sören Hettler, Leiter Anlagestrategie und Privatkunden. Über die Hälfte des Portfolios besteht derzeit aus Aktien. Der Großteil davon kommt aus Industrieländern – 5 Prozent aber auch aus den Emerging Markets. „Der Megatrend Künstliche Intelligenz steckt noch in seinen Kinderschuhen und bietet weiterhin viel Potenzial. Die Unsicherheit bei europäischen Werten – etwa wegen der Parlamentswahl in Frankreich – dürfte nur vorübergehend sein“, erklärt Hettler. Die starke Aktien-Position bleibt deshalb bestehen.
Goldanteil wird aufgestockt
Die Analysten reduzieren mit Blick auf das zweite Halbjahr aber die Cash-Reserven – statt 14 % machen diese jetzt nur noch 7 % aus. Gold kommt mit dem gleichen Prozentsatz neu hinzu: „Wir setzen auf ein ausgewogeneres Risikoprofil. Der Goldpreis dürfte sich bis Jahresende zwar nur seitwärts bewegen. Aus Absicherungsgründen halten wir eine Beimischung des Edelmetalls in begrenztem Umfang aber für sinnvoll. Schließlich zeigt sich auf lange Sicht kein nennenswerter Gleichlauf zwischen Gold auf der einen und Aktien sowie Anleiherenditen auf der anderen Seite“, so der Analyst. In der zweiten Jahreshälfte sollte das Musterportfolio dennoch weiter zulegen. Nach Einschätzung der Analysten dürften hierbei nicht nur steigende Aktienkurse ihren Beitrag leisten. „Vielmehr sollten weltweit zu erwartende Leitzinssenkungen moderat rückläufige Renditen nach sich ziehen und damit zu Kurssteigerungen bei den festverzinslichen Wertpapieren im Portfolio führen.“
Kurzfristig komplexe Chancen und Risiken
Und wie es kurzfristig aus? Der soeben veröffentlichte Halbjahresausblick 2024 von Goldman Sachs Asset Management analysiert wichtige Trends: Ein komplexes Umfeld voller Chancen und Risiken erwartet die Anleger. Drei globale Anlagethemen stehen im Mittelpunkt: Makroökonomie – ein längerer Weg zur Normalisierung. Geopolitik und Wahlen – Strategien für mehr Resilienz. Rücken- und Gegenwind – Investieren in Megatrends. Das klingt kompliziert.
„Während die erwartete Zinssenkung in den USA in der ersten Hälfte dieses Jahres aufgrund des Inflationsdrucks immer wieder verschoben wurde, begannen andere Zentralbanken damit, die Zinsen zu senken, oder bekundeten ihre Absicht dazu. Daraus erwuchs ein komplexes und herausforderndes Umfeld für das Management festverzinslicher Portfolios“, erklärte Ashish Shah, Chief Investment Officer of Public Investing bei Goldman Sachs Asset Management. Und er ergänzte: „Die entstehenden geopolitischen Brüche sowie die potenzielle Eskalation von Konflikten im Nahen Osten und in der Ukraine bleiben Risikofaktoren. Für zusätzliche Unsicherheit sorgen die US-Wahlen. Dies alles zusammen unterstreicht, wie wichtig ausgewogene Portfolios und Absicherungsstrategien sind. Demgegenüber bieten disruptive Technologien, allen voran die künstliche Intelligenz (KI) und der Bereich Nachhaltigkeit, erhebliche Chancen für Investoren weltweit“.