Rasante Stromnetze und Computer, Kernfusion, vollelektrische Flugzeuge – neue Materialien mit Lutetium, Yttrium und Co. könnten den Weg zu technologischen Innovationen bereiten.
Als Supraleiter werden Metalle und Verbindungen bezeichnet, in denen Strom ohne elektrischen Widerstand und somit praktisch ohne Verlust fließen kann. Ihr Potenzial ist enorm – sie könnten Stromnetze, Elektromotoren, Magnetschwebebahnen, Chips und vieles mehr wesentlich effizienter machen. Doch es gibt einen Haken: um zu funktionieren, müssen supraleitende Materialien unter extrem starkem Druck auf Temperaturen von weit unter 100 Grad Celsius heruntergekühlt werden. Ihr bisheriger Einsatz, etwa in MRT-Geräten und bei der Entwicklung von Quantencomputern, ist daher begrenzt.
Weltweit suchen Wissenschaftler nach Supraleitern, die bereits bei Raumtemperatur und unter Umgebungsdruck arbeiten. 2023 sorgte eine Studie für Aufsehen, in der dies angeblich mit einer Verbindung aus Stickstoff, Wasserstoff und Lutetium, einem Seltenerdelement, gelang. Die Ergebnisse waren jedoch umstritten, die im Fachmagazin Nature veröffentlichte Studie wurde später zurückgezogen. Für den federführenden Forscher Ranga Dias war dies bereits die dritte Veröffentlichung, die er zurücknehmen musste. Zwischenzeitlich entwickelte sich um die Ergebnisse ein veritabler Skandal.
Die Kontroverse inspirierte allerdings Adam Denchfield, Physik-Doktorand an der University of Illinois Chicago, nach eigenen Angaben zur Recherche. Beim Durchforsten von Studien aus den späten 1960er Jahren zu dem verwendeten Material, sogenannten Seltenerd-Trihydriden, entdeckte er Hinweise auf eine potenzielle Supraleitung bei vergleichsweise hohen Temperaturen, abhängig von der Anordnung der Atome.
Der „Heilige Gral“ der Supraleiter
Auf dieser Grundlage führten Denchfield und weitere Wissenschaftler verschiedene Experimente durch, was schließlich in der Entwicklung dreier vielversprechender Materialdesigns gipfelte. Dabei wurde auch der Ersatz von Lutetium durch andere Seltenerdelemente wie Yttrium und Scandium getestet, um die Effizienz noch zu steigern. Die finalen Designs weisen den Forschern zufolge supraleitende Eigenschaften bei etwa -73 Grad Celsius auf. Laut Computersimulationen hätten sie aber auch das Potenzial, Supraleitung bei Umgebungsdruck und Raumtemperatur zu erreichen – was Denchfield mit der Entdeckung des „Heiligen Grals“ vergleicht.
Um diese Prognosen zu überprüfen, müssten die Materialien nun im Labor synthetisiert und getestet werden. Zudem sei die Arbeit als Inspiration für andere Forscher gedacht, so Denchfield. Die Erkenntnisse könnten die Suche nach einer „völlig neuen Klasse von Strukturen“ anregen, die sich als potenzielle Hochtemperatur-Supraleiter eignen, um den Weg zu bahnbrechenden technologischen Innovationen zu bereiten.
Strom fließt widerstandslos durch Supraleiter, doch die Materialien haben noch weitere erstaunliche Eigenschaften. Ein Magnet etwa kann über einem Supraleiter schweben, weil er von dessen Magnetfeld abgestoßen wird.
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