Wie ticken die Börsenprofis vor dem Jahreswechsel? Die USA stehen weiter im Vordergrund des Interesses. Europas Märkte werden dagegen eher skeptisch beäugt.
Kurzfristig gesehen: In den nächsten Tagen dreht sich bei uns alles darum, wie Anleger sich im aktuellen Umfeld konjunktureller und politischer Unsicherheit bei Höchstständen an den Aktienmärkten und sinkenden Zinsen für das kommende Jahr positionieren können. Aus ökonomischer Sicht wird ein Thema dominieren: die Schuldenbremse. Eine mögliche Lockerung könnte dringend benötigten Spielraum für Investitionen schaffen.
„Deutschland befindet sich an einem Scheideweg: Investitionen in Zukunftstechnologien und Infrastruktur erfordern mehr fiskalischen Spielraum, doch der Konsens zur Lockerung der Schuldenbremse ist alles andere als sicher“, fassen es die Analysten von Morgan Stanley zusammen. Gleichzeitig belasten die schwächelnde Industrieproduktion und mögliche Handelszölle der USA gegen europäische Exporte die wirtschaftlichen Aussichten.
Viel Unsicherheit in Europa
Aber auch unser Nachbarland Frankreich hat mit fiskalischen Problemen zu kämpfen, die wenig Spielraum für expansive Manöver lassen, und bereitet sich auf ein weiteres Jahr mit politischer Unsicherheit vor. Italien muss derweil die Haushaltskonsolidierung umsetzen, um die Schuldenquote vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Abschwächung mittelfristig wieder auf Kurs zu bringen. Spanien konnte als einzige der großen europäischen Volkswirtschaften ein schnelles Wachstum verzeichnen, was vor allem dem Dienstleistungssektor zu verdanken ist. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges, der inzwischen über 1.000 Tage andauert.
Aktienmärkte: Was kommt nach der Rally?
An den Aktienmärkten konnte das Jahr 2024 Rekorde an der Wall Street verzeichnen, angetrieben durch den Boom der Künstlichen Intelligenz (KI) und die Aussicht auf niedrigere Zinsen. Der US-Aktienmarkt hat sich bis 2024 besser entwickelt als die globalen Märkte. Das bedeutet auch: Viele Aktien sind inzwischen überbewertet und bieten wohl nur wenig Spielraum für weitere Wertsteigerungen.
Anders sieht es auf dem alten Kontinent aus. Zwar verzeichneten auch die europäischen Märkte Gewinne, doch längst nicht so stark wie auf der anderen Seite des Atlantiks. Insgesamt halten die Analysten von Morningstar die europäischen Märkte für leicht unterbewertet und für die attraktivsten unter den entwickelten Märkten weltweit.
Deutschland ist da keine Ausnahme. Der gedämpften konjunkturellen Stimmung zum Trotz: Vergangene Woche überschritt der Dax die psychologisch wichtige Marke von 20.000 Zählern und hält sich problemlos über dieser Zahl, von Bremsspuren keine Spur.
In den Schwellenländern bleibt China nach den Konjunkturimpulsen der Regierung zur Wiederbelebung der Wirtschaft die am stärksten beobachtete Region, während Lateinamerika im Hinblick auf die Aktienmarktentwicklung im Jahr 2024 die schwächste Region war.
Anleihenmärkte: Was tun bei fallenden Zinsen?
Nach der erneuten Zinssenkung (die vierte in diesem Jahr) dürfte die Europäische Zentralbank ihren Zinssenkungszyklus auch 2025 fortsetzen. Während Aktienmärkte von diesen geldpolitischen Entscheidungen indirekt profitieren, stehen Anleihen- und Geldmärkte direkt im Fokus. Und so werden sich Anleger, die sich bisher über gute Zinsen auf ihren Tagesgeldkonten freuten, andere Optionen suchen müssen. Angesichts sinkender Leitzinsen ist Bargeld nicht mehr die beste risikofreie Anlage.
Denn Geld auf Giro- und Tagesgeldkonto zu haben, bringt langfristig keine mit anderen Anlageformen vergleichbare Rendite und schützt oft nicht einmal vor Inflation. Im Fachjargon spricht man von „realen Renditen“ – das ist die Rendite unter Berücksichtigung der Inflationsrate. Und diese sollten Investoren bei der Suche nach alternativen Anlagemöglichkeiten unbedingt auf dem Schirm haben.
Staats- und Unternehmensanleihen
Für Anleger, die auf einen regelmäßigen Einkommensstrom ausgerichtet sind, bieten etwa Staats- oder Unternehmensanleihen eine Alternative. Im Gegensatz zu Tages- oder Bargeld besteht die Rendite von Anleihen aus zwei Komponenten: Kursänderungen und Kupons. In einem Umfeld sinkender Zinsen fallen die Renditen tendenziell, während die Kurse ausstehender Anleihen steigen, eben weil Neuemissionen niedrigere Kupons bieten als frühere Emissionen, als die Benchmark-Zinsen höher waren.
Deutsche Staatsanleihen gelten gemeinhin als besonders sicher. In Deutschland normalisierte sich die Zinsstrukturkurve für Bundesanleihen nach einer fast zweijährigen Phase der Inversion im September 2024. Das heißt, dass kurzfristige Anleihen nicht länger höhere Renditen als langfristige Papiere bieten, was häufig als Zeichen für eine Entspannung der wirtschaftlichen Unsicherheiten gewertet wird.
„Der Spread zwischen 2-jährigen und 10-jährigen Bundesanleihen betrug am 6. Dezember 19 Basispunkte, im Vergleich zu einem Spread von minus 32 Basispunkten Ende November 2023. Die Versteilung der Zinskurve lässt sich auf die lockere Geldpolitik der EZB zurückführen, die durch die erfolgreiche Eindämmung der Inflation im letzten Jahr ermöglicht wurde“, erklärt Morningstar-Analystin und Fixed-Income Expertin Shannon Kirwin.
Anleger müssen aber auch andere Faktoren bei Anleihen-Investments berücksichtigen, die sich auf die Renditen auswirken, wie z.B. die Spreads zwischen den Staatsanleihen verschiedener Länder, wobei die Bundesanleihe oft als Referenz für die Eurozone herangezogen wird.
Die Qual der Wahl
Zu guter Letzt: Dies kann nur eine kurze Zusammenfassung dessen sein, was die klassischen Börsenpapiere bewegt – auch im kommenden Jahr. Doch gibt es längst eine Fülle von Anlageklassen und -instrumenten, so dass Sie Ihre Strategie gut vorbereiten sollten, geschätzte Anleger. Langfristig gesehen wird sich nach meiner Einschätzung nichts entscheidend ändern: Gold und Aktien sind Kernelemente eines Portfolios, Wall Street bleibt die Leitbörse.