Nach einer „blutigen“ Börsenwoche, die vielen Anlegern weh getan hat, herrscht weithin Ratlosigkeit. Am Aktienmarkt ist jetzt alles möglich.
Frankfurter Börsenberichterstatter konnten am Freitag nichts Erfreuliches verbreiten, sondern „Dax mit schwächster Woche seit zwei Jahren.“ Der Dax hat nach einem schwachen US-Arbeitsmarktbericht seine Talfahrt sogar beschleunigt fortgesetzt. „Aus Zinssenkungshoffnung wird Rezessionsangst“, überschrieb ein Broker seinen Kommentar. Zum Handelsende büßte der deutsche Leitindex 2,33 Prozent auf 17.661,22 Punkte ein. Damit erlitt er den größten Tagesverlust seit März 2023 und erreichte den tiefsten Stand seit April. Bereits am Donnerstag hatte er so deutlich verloren wie seit über einem Jahr nicht mehr. Der Wochenverlust von 4,1 Prozent ist der höchste seit zwei Jahren. Für 2024 schmilzt der Dax-Gewinn damit auf 5,4 Prozent. Damit gerät langsam, aber sicher auch die sogenannte 200-Tage-Linie in Gefahr, die als wichtiger Indikator für den langfristigen Trend gilt – sie verläuft aktuell bei knapp 17.400 Punkten. Unter die Durchschnittslinien für die kurz- bis mittelfristige Tendenz war das Börsenbarometer bereits am Donnerstag abgesackt.
Zwischen Zinshoffnungen und Wachstumssorgen
Die Zinssenkungshoffnungen reichten zuletzt nicht mehr aus, um Wachstumszweifel und so manche Gewinnenttäuschung zu kompensieren. Eine gewisse Abkühlung gilt allerdings als gesund. Lange hatte es so ausgesehen, als würde sich für Aktien ein ideales Szenario einstellen: Die Konjunktur läuft und gleichzeitig senken die Notenbanken die Zinsen. Zuletzt haben sich die Zweifel daran verstärkt. Zwar haben die Zinssenkungserwartungen zugenommen. Andererseits schwächelt die Industriekonjunktur, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern – wie der jüngste ISM-Index für das Verarbeitende Gewerbe gezeigt hat – auch in den USA. Gleichzeitig können die Unternehmensgewinne dies- und jenseits des Atlantiks trotz mehrheitlich positiver Überraschungen in der laufenden Berichtssaison offensichtlich nicht ganz das halten, was sich Investoren erhofft hatten.
Aktien befinden sich somit in einer Zwickmühle. Entsprechend geht es bei den großen Indizes derzeit einen Schritt nach vorne und wieder zwei Schritte zurück. Eine Korrektur gerade bei den Technologiewerten könnte allerdings eine Überhitzung vermeiden und somit insgesamt zu einer Verstetigung des Aufwärtstrends beitragen. Erst einmal scheinen aber starke Nerven gefragt zu sein.
Mehr Fragen als Antworten
Vielleicht hilft es da, sich zu vergegenwärtigen, dass Aktien ein typisch mittel- bis langfristiges Anlageinstrument sind, schreiben die Helaba-Strategen und konkretisieren: „Unser für das strategische Timing entwickelte Helaba-Best-Indikator für den Dax gab zuletzt nach, bewegt sich aber nach wie vor im Bereich ‚halten‘. Der Teilindikator für die Bewertung zeigt, dass der Dax um seinen fairen Wert schwankt und auf Sicht der kommenden Monate Potenzial für eine höhere Bewertung hat. Dazu ist es allerdings nötig, dass sich die Konjunkturstimmung, die zuletzt einen Dämpfer erhielt, wieder aufhellt. Bei der Anlegerstimmung dominiert inzwischen der Pessimismus – im Sinne der Kontraindikation ist dies jedoch positiv. Damit ergeben sich Chancen auf positive Überraschungen und steigende Notierungen.“
Niemals alle Eier in einen Korb legen
Zuversichtliche Töne überwiegen auch in einer strategischen Betrachtung von Allianz Global Investors: An Aktien dürfte bei der privaten Vermögensbildung aus Sicht der langfristigen Allokation kein Weg vorbeiführen, dennoch gewinnt in unruhigen Zeiten eine alte Volksweisheit an neuer Aktualität: „Niemals alle Eier in einen Korb legen“. Das Streuen über mehrere Anlagemöglichkeiten („Multi Asset“) fördert die Diversifikation und bringt mehr Ruhe ins Portfolio. Das Interessante dabei: Nach der Negativ-/Niedrigzinsphase hat sich die Korrelation zwischen den beiden wichtigsten Anlageklassen, Aktien und Anleihen, wieder normalisiert. Der zuvor beobachtbare Gleichlauf scheint beendet.
Wichtig ist dabei: Die im Krisenmodus befindliche Geldpolitik, welche Aktien wie Anleihen gleichermaßen angehoben hatte, läuft wieder im Normalbetrieb. Das lässt insgesamt eine weiter niedrige, vielleicht sogar schon bald negative Korrelation erwarten. Einem Comeback von Multi Asset sollte damit nichts im Wege stehen. Es gilt die Faustformel: Aktienkurse sind volatiler als Unternehmensgewinne. Unternehmensgewinne sind volatiler als Dividendenausschüttungen.
Vorsicht mit dem „Verbilligen“
Wenn Sie, geschätzte Privatanleger, jetzt verunsichert sind, weil sich jetzt auch die geopolitischen Konflikte wie ein dunkler Schatten über die Märkte legen, sollten Sie keine richtungsweisenden Empfehlungen von außen erwarten. Denn alle taktischen Varianten sind denkbar – abhängig von der individuellen Position: Aktien kaufen, halten oder verkaufen. Mutige Aktienfans neigen erfahrungsgemäß zum Verbilligen ihres Bestands, also zum Nachkaufen ihrer Titel auf deutlich niedrigerem Kursniveau. Das macht grundsätzlich auch Sinn. Nur zeigen historische Untersuchungen ein damit verbundenes Risiko: Oft wird unterschätzt, dass ein Kursrückgang noch (viel) tiefer gehen kann und damit die Verbilligung nicht funktioniert. Deshalb sollten Sie in jedem Fall prüfen (soweit möglich), wie die Chancen für eine baldige Erholung der Aktien stehen. Andererseits macht es oft Sinn, die Aktien dann nachzukaufen, wenn der erhoffte Kursanstieg eintritt. Beispiel: Aktie, die zu 100 gekauft wurde, fällt unerwartet auf 80. Jetzt zu „verbilligen“, ist nicht unbedingt zu empfehlen. Umgekehrt: Aktie steigt auf 120 und wird weiter positiv beurteilt – hier kommt das „Nachkaufen“ in Frage. Unterscheiden Sie also zwischen Nachkaufen und Verbilligen. Und: Langfristig denkende Anleger tun gut daran, ihre Position zu halten. Geduld ist meist ein besserer Ratgeber als Angst oder Gier.